15 Namen in verschiedenen Bereichen des Lebens

Mit Ihrem jetzigen Wissen kennen Sie bereits die meisten Namenseffekte. In diesem Kapitel werden wir Namen in den unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens kennenlernen. Das Studium dieses Kapitels ist von unschätzbarem Wert für die Praxis und wird Ihnen helfen, viele Zusammenhänge der Namenstheorie und des Leben besser zu verstehen.

15.1 Politiker

Die deutschen Bundeskanzler stellen immer noch eine Pflichtanalyse für jeden angehenden Namensspezialisten dar. Betrachten wir also ihre Namen etwas genauer:

Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brand, Schmidt, Kohl.

Die Namen Erhard, Brand, Schmidt und Kohl sind schnell erklärt. Es handelt sich dabei um einfache Namen, die häufig im Volk vorkommen. Diese Namen sind also wohlbekannt und deshalb nach dem Relativitätsprinzip vertrauenserweckend. Erhard profitierte zusätzlich von der Popularität des unvergessenen Komikers Heinz Erhardt. Der deutsche Bürger wählt den Namen, dem er am meisten vertraut. Seltene Namen wie Oscar Lafontaine haben nur geringe Chancen. Besondere Beachtung verdient die politische Wende, die mit der Regierung Kohl stattgefunden hat. Die Politik der Regierung wurde zwar geändert, die Namensfolge der Kanzler bleibt aber der Regel entsprechend. Aus der Sicht der Namenstheorie hat also überhaupt keine Wende stattgefunden.

Der Name Kiesinger ist überraschend. Er durchbricht anscheinend die eben erwähnte Regel. Wie kann ein Mann namens Kiesinger vom deutschen Volk gewählt werden? Die Antwort ist einfach. Er wurde es anfangs nicht. Während bei anderen Bundeskanzlern davon ausgegangen werden kann, daß sie durch die Bundestagswahl direkt vom Volk gewählt wurden, kam Kiesinger anders an die Macht. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition von CDU/CSU und FDP bildete sich 1966 die Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD. Kiesinger wurde deshalb ohne eine erneute Bundestagswahl direkt durch die Abgeordneten gewählt. Die Bundestagsabgeordneten stellen aber keinen repräsentativen Querschnitt des deutschen Volkes dar und gehorchen deshalb anderen Namensregeln. Bei der nächsten Wahl war der Name Kiesinger wohlbekannt und er wurde durch die Bürger wiedergewählt.

In neuerer Zeit entstand der Verdacht, die Nominierung Kiesingers zum Bundeskanzler sei eine Manipulation des späteren amerikanischen Außenministers Kissinger gewesen. Es ist bemerkenswert, daß Kissinger im Jahre 1965 seine publizistische Aktivität weitgehend einstellte. Außerdem trat er einen längeren Forschungsurlaub von seiner Stelle in Harvard an. Erst im September 1966 nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf. Ende 1966 wurde Kiesinger Bundeskanzler. Es ist nicht genau bekannt, welchen Tätigkeiten Kissinger im Jahr vorher nachging. Übte er am Beispiel der Bundesrepublik Techniken, die ihn 1973 zum Außenminister der Vereinigten Staaten machten?

Am interessantesten ist immer noch der Name Adenauer. Das Relativitätsprinzip von Aktion und Reaktion findet hier eine glänzende Bestätigung. Werfen wir einen Blick auf die geschichtlichen Hintergründe. Die deutsche Wehrmacht wurde im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten unter dem Oberbefehl von General Eisenhower (sprich Eisenhauer) vernichtend geschlagen. Machen Sie sich bitte einmal klar, welche Wirkung dieser Name auf die deutschen Soldaten hatte, die nach einer Rede Hitlers ja bekanntlich hart wie Kruppstahl waren. Obwohl nur wenige Geheimnisse der psychologischen Kriegführung an die Öffentlichkeit dringen, müssen wir davon ausgehen, daß die Amerikaner diesen General nicht zufällig wählten. Nach dem Krieg war der Name Eisenhower in aller Munde. Die Deutschen reagierten mit einem Kanzler nach der Ähnlichkeitsregel: Adenauer.

Viele fragen sich etwas voreilig, wie einer Person mit einem einfachen Namen der innerparteiliche Aufstieg gelingt. Schließlich wirken in einer Partei andere Namensgesetze als in der Gesellschaft. Doch auch hier kann ein Doktortitel wahre Wunder wirken.

Es muß betont werden, daß die Regeln für die Namen der deutschen Bundeskanzler nicht einfach auf andere Länder übertragen werden können. Es gilt: Andere Länder, andere Sitten. Hier müssen die kulturellen Unterschiede besonders berücksichtigt werden. Ein amerikanischer Bekannter sprach neulich scherzhaft von Ronald Raygun und Bill Clinch.

15.2 Schauspieler

Wer kennt sie nicht, die klangvollen Namen vieler Filmschauspieler? Brigit Bardot (Camille Javal), Sean Connery (Thomas Connery), Greta Garbo (Greta Lovisa Gustaffson), Michael Caine (Maurice Joseph Micklewhite), Marylin Monroe (Norma Jean Baker).

Ebenso wie die meisten Filme Unterhaltung bieten, so muß der Name eines Schauspielers gut klingen. Es ist unmittelbar einzusehen, daß Michael Caine und Marylin Monroe unter ihren richtigen Namen wahrscheinlich nie berühmt geworden wären. Auch John Wayne hätte seine männliche Ausstrahlung nie mit seinem richtigen Namen Marion Michael Morrison gewonnen. Wer hätte sich den Namen von Rudolph Valentino merken können? Rodolpho Alfonzo Raffaelo Pierre Filibert Guglielmi di Valentina d’Antonguolla. Diese Tatsachen sind in der Filmbranche bekannt. Der Gebrauch eines Pseudonyms ist allgemein üblich.

In Deutschland ist die Situation etwas anders. Viele Schauspieler benutzen keine Pseudonyme. Obwohl z. B. volksnahe Darsteller mit volksnahem Namen auch bei uns ihre Chancen erhöhen können (Inge Meysel, Peter Steiner), scheint ein Tarnname nicht unbedingt notwendig zu sein. Das liegt zum einen am Relativitätsprinzip, denn es fehlen einfach die klangvollen Namen zu Vergleich, zum anderen sind dem Deutschen viele Schauspieler nicht mit ihrem Namen bekannt. Ein ausgeprägter Starkult wie in Amerika ist deshalb in Deutschland nicht möglich.

15.3 Musiker

Gute Musik? Gibt es die objektiv betrachtet überhaupt? Wer sich einmal die Mühe macht, die Musik in verschiedenen Gesellschaften zu vergleichen, z. B. Rock ’n’ Roll und seine Nachfahren in Amerika und bei uns, jemenitische Leiergesänge in orientalischen Ländern, afrikanische Buschtrommeln, der wird notwendigerweise zu dem Schluß kommen, daß Musik eine kulturelle Eigenart ist, die extrem stark von Modeströmungen abhängt. Wer hätte vor zehn Jahren geglaubt, daß sich der Sprechgesang Rap einmal großer Beliebtheit erfreuen würde? Wer denkt heute daran, daß vielleicht schon bald monotone arabische Melodien aus den Ghetto–Blastern unserer Kinder erklingen werden. So ist dann auch die Suche nach dem Oldie–Sender im Radio ein sicheres Zeichen des Älterwerdens. Kurz: Musik ist Geschmackssache, abhängig von Erziehung und Umwelteinflüssen. Daran konnten weder Mozart noch Elvis Presley etwas ändern, die nie berühmt geworden wären, wenn sie zu den Lebzeiten des anderen gelebt hätten.

Daraus wird klar, daß der Name gerade bei Musikern eine große Rolle spielt. Ebenso wie bei Schauspielern ist das in der Branche wohlbekannt. Wären Marie Fredriksson und Per Gessle je bekannt geworden, wenn sie nicht den Namen Roxette gewählt hätten? Beachten Sie bitte die geschickte Verbindung zu den englischen Worten Rock that. Oder kennen Sie David Robert Hayward–Jones? Aber David Bowie ist Ihnen ein Begriff.

Leider gibt es keine allgemeingültige Rezepte für Musikernamen. Zu groß ist die modische Abhängigkeit. Hardrockbands benutzen gerne hart klingende Namen wie AC/DC, Anthrax, usw. Die deutsch Gruppe Die phantastischen Vier wurden weltberühmt, als sie sich den Namen einer Comicserie auslieh. Über die musikalische Qualität ihres Supererfolgs Die da ?!! muß seit der obigen Einführung nicht mehr gestritten werden. Auch die Toten Hosen können Pluspunkte für ihre Originalität verbuchen.

Als ich vor kurzem eine befreundete Familie besuchte, erklang aus dem Radio des Sohnes „Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.“ Die Mutter reagierte mit einem verärgerten „Stell das sinnlose Gedudel ab! Du solltest lieber ordentliche Musik hören!“

Einige Tage später feierten wir zusammen mit einigen Freunden im Garten. Die Gastgeberin stimmte an: „Los wir singen alle: La, La, La!“

Neben den Modeströmungen ist der Musikgeschmack auch stark von der Gesellschaftsschicht abhängig. Die Volksmusik trägt ihren Namen nicht zu Unrecht. Unnötig, zu erwähnen, daß hier auch volksnahe Namen gefragt sind. In der Oberschicht besitzt die Klassik einen hohen Stellenwert. Mit geistiger Reife hat das allerdings nichts zu tun. Wenn Sie einmal darüber nachdenken, werden Sie feststellen, daß der Rap dem Operngesang als Ausdrucksmöglichkeit weit überlegen ist.

Vom Versuch, den musikalischen Durchbruch nur mit der Hilfe eines Namens zu schaffen, kann nur abgeraten werden. Obwohl inzwischen allgemein anerkannt ist, daß ein Sänger nicht singen können muß, ist die kreative Konkurrenz einfach zu groß.

15.4 Künstler

Wie schon die Musiker, so sind auch Künstler im starken Maße von Modeströmungen abhängig. Wer hat noch nie von Impressionismus, Expressionismus, Jugendstil, POP–Art, Kubismus oder Surrealität gehört?

Künstlernamen sind keinen allgemeingültigen Gesetzen unterworfen, obwohl in diesem Bereich ungewöhnliche und kreative Namen große Chancen haben. Künstler bilden in gewisser Weise eine eigene Gesellschaftsschicht. Wem es gelingt, z. B. durch Einschmeichelei bei einem großen Namen, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, hat auf dem Markt gute Chancen. Potentielle Käufer glänzen nur selten durch fachkundigen Sachverstand. Meistens verlassen sie sich darauf, welche Künstler einen bekannten Namen haben. Die Folge ist, daß viele Künstler versuchen, ihren Namen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Die dabei angewandten Techniken beschränken sich oft auf reine Bürgerprovokation und müssen dem Leser dieses Buches primitiv und einfallslos erscheinen.

Der Beruf des Künstlers kann unter Umständen viel Geld abwerfen. Es gehört inzwischen zu den Normalfällen, wenn ein Künstler sein Kunstobjekt nicht mehr selbst herstellt, sondern mühelos auf dem Schrottplatz findet. Mir persönlich ist ein Fall bekannt, in dem eine westfälische Kleinstadt einen von einer Schrottpresse zerquetschten Volvo zum Preis von 13 000 DM aufstellte. Ein bekannter Autoverkäufer äußerte sich mit den Worten: „Für den Preis möchte ich auch mal einen Schrottwagen verkaufen. Das ist wirklich Kunst!“

Ich muß dazu anmerken, daß auch ich in dieser Preisklasse bereit wäre, Ihnen eine kleine Skulptur aus Knetgummi für Ihren Schreibtisch anzubieten. Ein solcher metamorphierbarer Springborn hätte den unschätzbaren Vorteil, daß Sie ihn nach Ihren eigenen Wünschen gestalten könnten, und wenn er Ihnen überhaupt nicht mehr gefällt, ist durch einen gezielten Wurf in den Mülleimer eine rationelle Entsorgung gewährleistet.

Björn Brüggebeuys ist für mich der fortschrittlichste aller modernen Künstler. Er machte sich durch nicht existierende Kunstwerke einen Namen. Anstatt irgendwelche Billigproduktionen für viel Geld zu verkaufen, kam er auf die Idee, überhaupt nichts für viel Geld zu verkaufen.

Obwohl viele Stadtväter von dieser Idee begeistert waren und eines seiner Werke zum Mindestpreis von 10 000 DM in ihrer Stadt zur Schau stellten, blieb ihm anfangs der große Erfolg verwehrt. Björn Brüggebeuys erkannte, daß seinen Werken die sichtbare Provokation fehlte und sich die Bürger deshalb nicht besonders aufregten.

Er ergriff zwei Maßnamen. Zum einen erhöhte er drastisch die Preise, zum anderen stattete er seine Kunstwerke mit einem Podest und mit Namen aus. Das Werk Vergängliche Kunst brachte ihm den endgültigen künstlerischen Durchbruch (und 50 000 DM Gewinn). Diese zehn Meter hohe nicht existierende Statue wurde vor ihren Enthüllung mit Hilfe von sechs Nebelmaschinen durch dichte Rauchschwaden verdeckt. Bei der Enthüllungszeremonie wurden die Nebelmaschinen abgeschaltet. Die Kunstverständigen unter den Zuschauern reagierten mit ungehemmter Begeisterung. Sie lobten insbesondere die bisher unerreichte Transparenz des Werkes.

Vergängliche Kunst bietet auch heute noch einen imposanten Anblick, insbesondere nachts, wenn das Werk von vier 1 000 Watt starken Halogenstrahlern beleuchtet wird.

Wenn der Beruf des Künstlers attraktiv für Sie ist, Sie aber keine entsprechenden Beziehungen besitzen, um sich einen Namen zu machen, kann eventuell eine gute Werbeagentur weiterhelfen. Sie sollten dann bereit sein, einiges Kapital zu investieren. Mit Hilfe von selbstfinanzierten Ausstellungen kann es Ihnen gelingen, Ihren Namen in einem größeren Interessentenkreis bekannt zu machen. Sicher werden sich auch einige Protektoren finden, die gegen eine entsprechende Entlohnung bereit sind, Ihre Werke zu loben. Die obigen Beispiele zeigen, daß Sie im Erfolgsfall mit einem gesicherten Einkommen rechnen können.

15.5 Wissenschaftler

Wie schon im Vorwort erwähnt, besitzen Wissenschaftler, deren Name vorne im Alphabet steht, die größten Chancen, aber auch ungewöhnliche, den intellektuellen Kreisen angepaßte, Namen liegen gut im Rennen.

Für die Beliebtheit vorne im Alphabet stehender Namen gibt es simple Gründe. Zum einen werden große wissenschaftliche Leistungen heutzutage nicht mehr von Einzelpersonen vollbracht, Gruppenarbeit ist gefragt. Bei den Veröffentlichungen werden die Namen dann alphabetisch aufgelistet, um Streitereien zu vermeiden. Bei diesem Vorgehen werden die Leute, die vorne im Alphabet stehen, unangemessen übervorteilt, weil die Leser sich im allgemeinen nur den ersten Namen merken. Z. B. kennt jeder deutsche Physiker ein Buch, das von den Autoren Gerthsen, Kneser und Vogel verfaßt wurde. Es ist als der Gerthsen bekannt.

International erwerben sich viele Wissenschaftler durch Literaturlisten einen Ruf. Wenn ein Wissenschaftler Informationen über ein bestimmtes Thema sucht, dann liest er Zeitschriftenartikel, an deren Ende die Namen der Personen aufgelistet sind, die bereits vor dem Autor etwas auf dem entsprechenden Gebiet erarbeitet haben, oder er befragt eine computerisierte Literaturdatenbank. Natürlich sind auch hier die Namen meistens alphabetisch geordnet. Wieder merken sich die Leser nur die ersten, vorne im Alphabet stehenden, Namen. Auf diese Weise gelangen Forscher, deren Namen am Anfang des Alphabets stehen, schnell zu Weltruhm.

Dieses Gesetz hat zur Folge, daß es geniale Wissenschaftler gibt, die trotz herausragender Arbeiten unerkannt bleiben. So gelang es dem Mathematiker Spencer–Brown 11 in seinen Laws of Form die gesamte Boolsche Algebra wesentlich zu vereinfachen und sogar weit darüber hinauszugehen. Daneben enthält das Werk interessante philosophische Schlußfolgerungen. Bool ist auch außerhalb der Mathematik sehr bekannt, Spencer–Brown kennt selbst unter Mathematikern fast niemand.

Es mag vielleicht beruhigen, wenn ich erwähne, daß manchmal auch Personen, die hinten im Alphabet stehen, der wissenschaftliche Durchbruch gelingt. So erhielt der amerikanische Astrophysiker Steven Weinberg 1979 den Nobelpreis für Physik. Das Unglaubliche an dieser Geschichte ist, daß er ein Pseudonym benutzte. In Wahrheit hieß er Regental!!!

Geisteswissenschaftler haben das Glück, daß die obige Regel für sie nicht gilt. Tatsächlich finden sich hier viele Menschen, die versuchen ihrem einfachen Namen mit einem Doktortitel etwas mehr Glanz zu verleihen.

15.6 Schriftsteller

Unter Literaten hat die Benutzung von Pseudonymen eine lange Tradition. Christoffel von Grimmelshausen, Verfasser des Simplicius Simplicissimus, hatte mindestens acht. Von Voltaire weiß man, daß er mehr als 150 benutzte!

Während das Pseudonym in früheren Zeiten häufig dem Schutz des Verfassers vor der Obrigkeit diente (Kluge Menschen wurden damals von der Oberschicht gefürchtet.), wird es heute eher benötigt, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Die Liste von Literaturnobelpreisträgern im Vorwort ist dafür ein extremes Beispiel. Aus was für Personen mag wohl die Jury bestehen? Hier muß sich der Eindruck aufdrängen, daß Schriftsteller fehlenden Geist durch einen komplizierten Namen wettmachen. Wenn Sie mit einem einfachen Namen auf einen Literaturnobelpreis hoffen, vergessen Sie es lieber. Nicht alle haben das Glück eines Thomas Mann.

Autoren haben in Deutschland den besonderen Vorteil, daß hier viele Bücher von allen Gesellschaftsschichten gelesen werden. Entsprechend groß ist die Anzahl verschiedener Zielgruppen. Jede besitzt individuelle Vorlieben. Eine genaue Leserkreisanalyse kann helfen, ein ideales Pseudonym zu finden. Vergessen Sie nicht, daß die weitverbreitete Sehnsucht nach Exotik auch ungewöhnliche Namen mit Erfolg krönen kann.

15.7 Handwerker

Machen Sie einen Selbsttest: Stellen Sie sich einmal vor ein Junge aus Ihrer Nachbarschaft hat seinen Fußball treffend durch das geschlossene Fenster in Ihrem Wohnzimmer plaziert. Sie schlagen die Gelben Seiten auf und suchen nach einem Glaser. Dort finden Sie die Namen:

Glasmann, Goldgrube, Kandinski, Klirrer AG, THGKH GmbH & Co KG.

Wahrscheinlich würden Sie Glasmann oder Goldgrube wählen. Glasmann klingt besonders kompetent, und das ist nicht weiter verwunderlich. Handwerkernamen haben eine alte Tradition. Tatsächlich sind viele Namen erst aus den Handwerksberufen entstanden. Namen, die dem ausgewählten Beruf entsprechen, haben auch heute noch einen guten Klang. Sie erwecken Vertrauen.

Der Name Goldgrube wirkt etwas anders. Der Leser glaubt unmittelbar, dieser Betrieb würde besonders viel Gewinn abwerfen. Die scheinbar logische Schlußfolgerung lautet: Diese Firma muß viele Kunden haben. Wenn viele Kunden diesen Betrieb wählen, dann muß er gut sein. Also kann ich dort beruhigt anrufen.

Die beiden Namen Glasmann und Goldgrube haben außerdem noch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie stehen vorne. Viele potentielle Kunden werden sich nicht die Mühe machen, die ganze Liste der Glaser durchzusehen. Sie wählen den erstbesten, der ihnen vertrauenswürdig erscheint, und das sind die, die vorne im Alphabet stehen. Glasmann wird auch von Kunden gefunden, die nicht in den Gelben Seiten sondern im Telefonbuch unter Glas nachschauen. Dieses Kundenpotential ist nicht zu vernachlässigen.

Kandinski wirkt auf die meisten Menschen zu fremdartig. Dieser Name wird im allgemeinen nur von Personen gewählt, die gut mit einem Kandinski oder ähnlich befreundet sind. Auch Kunstinteressierte fühlen sich angezogen. Die Klirrer AG läßt unbewußt befürchten, es könnte noch ein Unglück geschehen. Die THGKH GmbH & Co KG klingt zu unpersönlich.

Anhand des obigen Beispiels haben Sie gesehen, welche Faktoren ein kluger Handwerker bei seiner Namenswahl berücksichtigen muß. Es gibt aber auch Ausnahmen. Viele Handwerker bekommen ihre neuen Kunden durch Mundpropagande. Zuverlässigkeit (!!!) und gute Arbeit können hier Wunder wirken. Alteingesessene Betriebe sind deutlich im Vorteil. Auch eine gute Werbeagentur kann helfen.

Neue Handwerksbetriebe befinden sich in der glücklichen Situation, daß der Firmenname nicht mit dem Namen des Besitzers übereinstimmen muß und deshalb nach den Regenl der Namenstheorie optimal gewählt werden kann. Viele Firmengründer wählen trotzdem ihren eigenen Namen. Das mag ehrlich sein oder eitel, auf jeden Fall aber ist es unklug.

Der heiße Tip: Wenn Sie bereits eine umfangreiche Stammkundschaft besitzen, ist es Unsinn, den Firmennamen zu ändern. Es bietet sich an, eine zweite Anzeige mit einem besseren Namen in den Gelben Seiten aufzugeben. Auf diese Weise haben Sie auch einen Überblick, wieviele neue Kunden Sie durch den Zusatznamen gewinnen.

15.8 Verkäufer

Wenn Sie etwas zu verkaufen haben, gelten ähnliche Regeln wie für Handwerker. Ihr Name sollte Vertrauen oder unbewußte Sehnsüchte erwecken. Das Vertrauen wird schnell erreicht, wenn Sie Ihren Namen dem des Kunden oder den Regeln der Zielgruppe anpassen.

Georg Scheckweg machte unter dem Namen Dr. Heller mit dem Verkauf von Photonenbremsen ein Vermögen. In großformatigen Anzeigen gab er bekannt, daß durch die fortdauernde Schädigung der Atmosphäre das Licht zu schnell auf die Erde komme. Dieses Licht würde von der normalen Haut nicht vertragen und könne unter Umständen zu dauerhaften Gesundheitsschäden führen. Um die schnellen Lichtteilchen, die Photonen, wirksam abzubremsen, bot er die von ihm entwickelten Photonenbremsen an. Er versprach die Umwandlung des harten schnellen in langsameres sanftes Licht. Dieses sanfte Licht garantiere seelische Ausgeglichenheit und ein allgemein besseres Wohlbefinden.

In der Anfangszeit bestanden seine Photonenbremsen aus speziellen Kunststofffolien, die an die Fenster geklebt werden mußten. Später entwarf er kleine handliche tragbare Geräte, die mit einem elekromagnetischem Feldmodulator die Bremswirkung erzielen sollten.

Georg Scheckweg zog schließlich nach Acapulco. Die Wirkung seiner Photonenbremsen bleibt umstritten. Während sie von Wissenschaftlern mit allgemeiner Ablehnung betrachtet werden, schwören tausende von zufriedenen Kunden auf ihre Wirksamkeit.

Auch die verborgenen Träume vieler Kunden sind leicht anzusprechen. Vor einiger Zeit entdeckte ich ein Modegeschäft namens Sternberg. Ein geradezu idealer Name. Wird er doch von vielen Frauen mit Höhe und nächtlicher Romantik gleichgesetzt. Männer zeigen in ihren Träumen gewöhnlich weniger Phantasie. Häufig wollen sie nur Hahn im Korb sein oder ihre Männlichkeit unter Beweis stellen. Meine Leserinnen werden in vielen Bereichen wirksame Namen entdecken.

Sinnvoll ist es auch, wenn der Name die Qualität des zu verkaufenden Produktes unterstützt. Der Käufer glaubt dann an besondere Kompetenz. Als ich vor einiger Zeit einen neuen Satz Winterreifen benötigte, fiel meine Wahl auf die Firma Rundlauf. Ich konnte es mir nicht verkneifen, den Besitzer nach seinem außergewöhnlichen Namen zu befragen. Er antwortete amüsiert, der Name sei die Idee eines Freundes gewesen, der ein Buch über Namen gelesen hatte. In Wirklichkeit heiße er Schorsch Steinfeger, und er sei fest davon überzeugt, daß der Firmenname ihm viele neue Kunden einbrächte.

15.9 Militärische Techniken

Sicher haben Sie den amerikanischen Spielfilm Top Gun gesehen. Dabei ist Ihnen natürlich aufgefallen, daß die Jetpiloten alle äußerst interessante Rufnamen benutzen: Fireball, Sharpshooter, Penetrator, Stinger, Ghostrider, Cougar, Viper, …

Diese Namen dienen nicht nur dazu, um beim Gegner oder im Bekanntenkreis Eindruck zu machen. Sie sind auch eine ideale psychologische Hilfe. In jedem Menschen schlummern ungeahnte Fähigkeiten, deren Einsatz aber durch das eigene Selbstbild verhindert wird. Der Rufname ermöglicht es dem Jetpiloten quasi eine andere Identität anzunehmen. Unten auf dem Boden ist er der gewöhnliche Jack Pot, aber oben in der Luft wird er zum Radiator. Losgelöst von seiner irdischen Existenz kann er sein Können freier entfalten.

Auch die deutsche Bundeswehr macht umfangreichen Gebrauch von der Namenstheorie. Sie benennt ihr Kampfgeräte oft nach Tieren: Marder, Leopard, usw. Dadurch bekommen sie in der eigenen Bevölkerung ein positives Image. Russische Waffen sind unter abschreckenden Bezeichnungen bekannt, z. B. SS 20, T 72, MIG 25. Inwieweit diese Namensgebung beabsichtigt ist, bleibt unter dem Tarnschild militärischer Geheimhaltung verborgen.

Lernen ist wie Rudern gegen den Strom.
Hört man damit auf, treibt man zurück.
Lao Tse