5 Wissen ist Macht: Die Assoziationstheorie

In diesem Kapitel möchte ich Sie in die wissenschaftlichen Grundlagen der Namenstheorie einführen. Betrachten wir einmal einige Automarken: Ferrari, Lamborghini, Maserati. Wagen, die genauso schnell sind wie ihr Name. Aber wieso kann ein Name schnell sein? Der Grund liegt in der Funktionsweise des Gehirns. Wenn wir Informationen aufnehmen, verbinden (assoziieren) wir sie automatisch mit uns bekannten Dingen. Beispiele:

Ferrari — schnell, teuer, rot
Diskothek — Spaß, Freude, Musik
Marlboro — Genuß, Freiheit, Abenteuer
Spinat — igitt

Auf diese Weise erhalten wir schon durch die Aufnahme von wenigen Informationen einen Gesamteindruck, das sogenannte Image. Dieses Image hat in unserer Gesellschaft eine übergroßer Bedeutung. Es beeinflußt wesentlich unser Urteilsvermögen.

Es ist kein Zufall, daß die Werbeindustrie viele Produkte zusammen mit hübschen Frauen abbildet. Es ist z. B. erwiesen, daß Männer ein Auto, welches zusammen mit einem attraktiven Fotomodell gezeigt wird, als sportlicher, formschöner und begehrenswerter empfinden. Natürlich sind diese Männer in dem Glauben, die Frau habe ihr Urteilsvermögen nicht beeinflußt.

Sehen Sie nun bitte auf die Rolex–Uhr an Ihrem Handgelenk. Sollte sich dort keine Uhr dieser Marke befinden, so kann ich Sie beruhigen. Auch Ihre Uhr wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Zeit genau so gut anzeigen wie eine Rolex, das heißt, sie wird ihre Funktion vollkommen erfüllen. Sollten Sie jedoch tatsächlich eine Rolex besitzen, so seien Sie sich bewußt, daß Sie eigentlich einen Namen gekauft haben. Eine Zutat, die die Nützlichkeit Ihrer Uhr nicht im geringsten verbessert.

Ein anderes Beispiel ungewöhnlicher Imagewirkung ist tagtäglich auf unseren Straßen zu beobachten. Jeder ledige junge Mann, dessen Augen suchend nach hübschen Frauen Ausschau halten, weiß, daß er seine Blicke insbesondere in die Innenräume von Fahrzeugen der Marke BMW richten muß. Die Wahrscheinlichkeit, in einem BMW eine hübsche Frau zu entdecken, ist signifikant höher als beispielsweise in einem Golf. Wie ist dieser merkwürdige Sachverhalt zu erklären? Offenbar ist es vielen BMW–Fahrern gelungen, ihr persönliches Image durch das einer Automobilmarke zu ersetzen. Schließlich wird der Name BMW mit Eigenschaften wie Qualität, Sportlichkeit und Leistung verbunden. Es handelt sich hierbei um eine Variante des trojanischen Pferdes, einer Technik, die verblüffenderweise auch nach tausenden von Jahren noch erfolgreich eingesetzt werden kann. Wir werden hierfür auch die Bezeichnung progressive Imageassoziation kennenlernen.

Offenbar kann das assoziative Denken sehr schnell ein trügerisches Image vorgaukeln. Diese Tatsache hat insbesondere die Werbebranche schon lange erkannt. Fast die gesamte Technik der Werbung beruht auf der Imagebildung durch assoziatives Denken. Interessanterweise haben die Werbeagenturen bei ihrem eigenen Namen angefangen. Bekannte Agenturen tragen Namen wie Young & Rubicam, Benton & Bowles, Normann, Craig & Kummel, Weiss & Geller, Ruthrauf & Ryan, Reade & Bratton und ähnliche. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, habe ich amerikanische Agenturen gewählt. Sie können sich jedoch jederzeit durch einen Blick in die Gelben Seiten davon überzeugen, daß &–Namen auch in Deutschland für viele Werbefirmen ein Muß sind.

Der doppelte Name steht für Kompetenz und Größe. Muß doch der potentielle Kunde davon ausgehen, daß mindestens zwei Personen an dem Unternehmen beteiligt sind. Es gibt Leute, die behaupten, daß viele Werbespezialisten derartig an der Vermarktung ihres eigenen Namens interessiert sind, daß die Firmennamen zwangsweise die Form von Mitarbeiterlisten annehmen müssen.

Die berühmte Kreativ–Agentur Rady & Research, die unter anderem die Werbeviren für Computerprogramme hervorgebracht hat, hatte früher Probleme mit ihrem außergewöhnlichen Namen. Während der Doppelname Macht und Einfluß vortäuschte, sollte er auch gleichzeitig durch die Wortspiele Radiant Research sowie Ready and Research auf die außergewöhnliche Kreativität der Mitarbeiter hinweisen.

Es hielt sich jedoch hartnäckig das Gerücht, der Gründer der Firma sei ein gewisser Roger Research, der auf einer Deutschlandreise in Bayern zu seinem Bier ein Radi serviert bekam. Da außerdem viele Kunden den Namen Radiant Research bevorzugten, ist diese Version heute allgemein üblich.

Das Prinzip der &–Namen wird von der österreichischen Firma Berger & ......! auf die Spitze getrieben. Ich kann mir eigentlich nur noch die Steigerung …& …vorstellen, die aber in Telefon– und Branchenbüchern schlechte Chanchen hätte.

Doch sollten wir diese Agenturen nicht belächeln. Sie kennen die Wirkung von Namen ganz genau. Der richtige Name kann Absatz und Verdienst entscheidend fördern.

Die Firma Apple Computer nahm eine Umstellung ihrer Produktpalette vor. Einer der älteren Macintosh–Rechner schien neben den neuen leistungsstärkeren Maschinen keine Chance mehr zu haben. Dieses Modell wurde daraufhin in Macintosh–Classic umbenannt, um einen Verkaufserfolg zu garantieren. Der Name Classic wurde angeblich für eine sechsstellige Summe eingekauft.

Die beiden Limonadengetränke Coca Cola und Pepsi sind auch von Fachleuten geschmacklich kaum zu unterscheiden. Verschiedene Konkurrenzprodukte, die ebenfalls den gleichen Geschmack aufweisen, konnten sich am Markt, trotz teilweise günstigerer Preise, nicht durchsetzen. Hier liegt es eindeutig auf der Hand, daß der Name die Marktbedeutung bestimmt.

Diese Wirkung von Namen kann in verschiedenen Kulturen und Zielgruppen durchaus verschieden sein.

In Deutschland ist es zum Beispiel üblich, Produkte für den gehobenen technischen Bedarf mit Nummern– und Buchstabenkombination, anstatt mit Namen zu versehen. Nummern– und Buchstabenkombinationen versprechen bessere Qualität und höheres Prestige.

Das wird insbesondere bei Automobilen deutlich. Die Nobelfirmen BMW, Porsche und Daimler–Benz glänzen mit Bezeichnungen wie 735i, 911 oder gar 190E 2.3–16. Autos für den gewöhnlichen Verbraucher heißen Golf, Astra, Escort, Clio …Eine scheinbare Qualitätssteigerung wird durch das Anhängen von Buchstabenkürzeln erreicht, Beispiel: Golf, Golf GT, Golf GTI.

Viele Kunden scheinen jedoch bei Massenproduktionen Identifikationsprobleme mit ihrem Fahrzeug zu haben. Als Abhilfe haben sich die Autowerke die Sondermodelle ausgedacht. Diese Wagen bekommen einen Zusatznamen, der ihnen das Image einer gewissen Exklusivität verleiht. Solche Modelle heißen Jazz, Fun, Flair, Beach, Manhattan, Memphis, Edition, California, Europa …

Eine weitere verdienstfördernde Maßname ist die Verwendung von sogenannten Modeworten. Die Automobilindustrie führt diese Technik zur Zeit mit Hilfe des Wortes Leasing vor.

Vor einiger Zeit war das Wort Turbo groß in Mode. Obwohl der Autotechnik entnommen, gewann dieses Wort in allen Bereichen große Bedeutung. Teenager trugen turbogeile Klamotten, Computerfreaks benutzten Programme mit der Vorsilbe Turbo und elegante Damen trugen hochhackige Schuhe im Turbo–Look. Inzwischen ist der Turbo–Rausch jedoch abgeflaut, und viele finden jetzt andere Wörter mega–in.

Einige Eltern haben die Macht der Werbeindustrie bereits erkannt. Sie benennen ihre Kinder nach erfolgreich vermarkteten Produkten und Firmen. So gibt es bereits heute die männlichen Vornamen Kraft (Nur Gutes verdient den Namen Kraft), Henkel (Waschmittelhersteller), Jakob (nach der Kaffeemarke) und Martin (englischer Sportwagenhersteller Aston Martin). Die Mädchen bekommen die Namen Caroline, Christine (beide nach erfolgreichen Mineralwässern), Ariel, Micheline oder gar Mercedes.

Obwohl diese Namen ihre Wirkung bereits eindrucksvoll bewiesen haben, habe ich dennoch Bedenken, Kinder so zu benennen. Ein Mädchen mit dem Namen Ariel wird durch ihre Umwelt sicherlich einem besonders starken Erwartungsdruck ausgesetzt. Ob dieser Erwartungsdruck ihre Entwicklung fördert oder eher hemmt, ist noch abzuwarten.

Andererseits sind viele neue kreative Vornamen zu erwarten, die unsere Kultur bereichern und verschönern werden. Die öffentliche Anerkennung von Werbenamen wird uns neue Freiheiten und mehr Ehrlichkeit bringen. Eltern, die ihre Italienreise besonders genossen haben, können ihren Sohn dann Volkswagus nennen und sind nicht mehr wie bisher auf die Stummelform Volker angewiesen.

Vereinzelt nimmt der Kampf um die freie Auswahl des Vornamens bereits radikale Formen an. An einer Betonwand entdeckte ich neulich den Spruch Nutella statt Barbarella.

Voreilige Kritiker haben mich darauf hingewiesen, daß viele der oben angeführten Namen älter sind als die entsprechenden Produktnamen. So kommt der Name Jakob bereits in der Bibel vor. Das ist richtig! Wir leben aber in einer konsumorientierten Gesellschaft. Die meisten Menschen werden deshalb häufiger mit Markennamen als mit Bibelinhalten konfrontiert.

Ein anderer Bereich, in dem Namen eine große Rolle spielen, sind die Tabakwaren. Zahlreiche Tests haben gezeigt, daß Raucher nicht imstande sind, ihre Zigarettenmarke ohne die Verpackung zu erkennen. Sie können verschiedene Marken nicht am Geschmack unterscheiden. Hier spielt das Image des Produktes eindeutig die dominierende Rolle. Ein Blick auf die Markennamen offenbart jedoch Überraschendes. Klangvolle und attraktive Namen sind nur in seltenen Fällen zu finden. Die Werbeagenturen haben hier ein kleines Wunder vollbracht. Uninteressante Namen sind mit einem neuen Image versehen worden und können nun den Verbraucher ködern.

Dieses Vorgehen ist auch für Menschen nützlich, die einen langweiligen oder für ihre Zwecke unpassenden Namen haben. Sie können ihren Namen mit einem neuen Image assoziieren. Diese Technik ist unter der Bezeichnung progressive Imageassoziation bekannt. Ich werde sie später noch ausführlich erläutern.

Je geringer die Persönlichkeit, desto länger die Rede.
P. Becker