Struktur von Sprachen

Warum überhaupt Sprache?

Beim Menschen ist Sprache Bestandteil der alltäglichen Kommunikation. Wir verständigen uns aber auch über Mimik, Gestik, Körperhaltung und kulturelle Handlungen. Diese Verhaltensweisen sind zum Teil angeboren (wie die Mimik) und zum Teil erlernt (wie rituelle Handlungen). Umgangssprache ist aber immer nur ein Teil der Kommunikation, der durch andere Verhaltensweisen ergänzt wird. Das ist ziemlich cool, denn dadurch können wir uns in fremden Ländern auch mit Händen und Füßen unterhalten, selbst dann, wenn wir kein Wort der Landessprache verstehen. Menschen besitzen von Natur aus immer eine gewisse gemeinsame Kommunikationsbasis. Das erleichtert es uns, Fremdsprachen zu erlernen.

Die Wurzeln der Sprache können wir bereits im Tierreich bewundern. Auch viele Tiere verfügen über eine einfache Sprache. Die Verwandtschaft zwischen Tier- und Menschensprache wird in vielen Redewendungen deutlich: Hunde, die bellen, beißen nicht. Er schimpft wie ein Rohrspatz. Gut gebrüllt, Löwe! Das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

Wir könnten auf die Idee kommen, dass die Gründe, warum wir Sprache entwickelt haben, schon im Tierreich zu finden sind. Tatsächlich besitzt die Sprache der Tiere viele nützliche Funktionen:

  1. Status des Befindens anzeigen (Schnurren, Winseln)

  2. Vor Feinden warnen

  3. Hilfe erbitten (Ich bin in Not, füttere mich!)

  4. Weibchen anlocken

  5. Informationen austauschen (Da hinten gibt es Futter.)

  6. Feinde und Konkurrenten vertreiben

    Schimpfen ist also eine sehr grundlegende Funktion der Sprache :-)

Wir sehen, dass bereits eine sehr einfache Sprache für viele nützliche Zwecke völlig ausreicht. Da stellt sich die Frage, warum Sprache so komplex geworden ist? Im Tierreich denke ich sofort an den Vogelgesang. Anscheinend erfordert das Beeindrucken eines Weibchens die komplexesten Lautäußerungen. Natürlich wäre ein Trillili völlig ausreichend, aber Sie will natürlich unbedingt ein Trillilillipittitrillilillili :-)

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass Tiere nur zu einfacher Sprache fähig sind. Wir haben bereits gesehen, dass manche Pidgins mit 700 Wörtern auskommen [Spitzer]. Quackenbush hat 600 Wörter gesammelt, die auf Tobi und anderen Inseln gesprochen werden [Quack68]. Obwohl die Dialekte mehr Wörter enthalten, scheint das der wichtige Kern für den Alltag zu sein. Das ist genau so viel, wie ein Schimpanse Gesten der Gebärdensprache erlernen kann [Zoo].

Menschensprache scheint sich von Tiersprache insbesondere dadurch zu unterscheiden, dass Menschen fähig sind, komplexe Informationen zu einem Sachverhalt zu vermitteln und zu hinterfragen. Eine Liste zu Sinn und Zweck menschlicher Sprache könnte beispielsweise so aussehen:

  1. Soziale Interaktion, Kultur (Begrüßen, Verabschieden, Bedanken, Weibchen anlocken, ...)

  2. Eigene Bedürfnisse (Ich bin hungrig, krank, ...)

  3. Befehle (Bis morgen muß es fertig sein!)

  4. Fragen (Warum schreibe ich das hier?)

  5. Aussagen über einen Sachverhalt.

    1. Wer? (Subjekt)

    2. Was? (Verb)

    3. Mit was? / Mit wem? (Objekt)

    4. Wo?

    5. Wann?

    6. Warum?

    7. Wie?

Ich habe Weibchen anlocken hier unter Sozialer Interaktion angeordnet, weil es sich bei den dabei verwendeten Äußerungen in den seltensten Fällen um Fakten handeln dürfte (phantasievoll wie Vogelgesang :-)

Die Fragen zum Beschreiben eines Sachverhalts sind in jedem Kulturkreis wichtig, egal ob in einer Jagdkultur jemand viele Fische gefangen hat oder in einer Industrienation ein Popkonzert stattfindet.

Außerdem sind wir alle Menschen, nehmen unsere Umwelt also mit den gleichen Sinne wahr, und leben in derselben Welt.

Da unsere Fähigkeiten und der Zweck der Sprache sich auf die Sprachstrukturen niederschlagen, können wir davon ausgehen, dass sich alle Sprachen in gewisser Weise ähnlich sind.

(Das ist nicht zwingend notwendig. Wir können uns zum Beispiel auch eine Kultur vorstellen, in der Informationen durch Gesten übertragen und die gesprochene Sprache nur der Verdeutlichung und der emotionalen Betonung dient, ähnlich wie bei manchen Taubstummen.)

Aller Anfang ist einfach

Wenn wir alle Menschen sind, in derselben Welt leben und Sprachen in aller Welt für ähnliche Zwecke benutzt werden, könnte man vermuten, dass alle Sprachen ähnliche Grundstrukturen aufweisen, die sich leicht erlernen lassen. Das ist tatsächlich so.

Der Grund dafür ist simpel: Wir haben Kinder. Kinder erlernen Sprache und sie erlernen sie überall auf der Welt auf die gleiche Weise: Durch ihre Eltern und Menschen, die ihnen nahestehen. Die Gehirne von Kindern können aber nur mit sehr einfachen Strukturen umgehen. Also müssen die Grundlagen jeder Sprache einfach sein.

Kinder lernen zuerst einmal Wörter für Dinge in der Umgebung, Eigenschaften von Dingen und einfache Handlungen. Sie scheren sich noch nicht viel um Grammatik. Fragen und Befehle werden oft nur durch Betonung unterschieden.

Hier werden allen Sprachen erst einmal viele Gemeinsamkeiten aufweisen. In allen Kulturen enthält die Welt viele ähnliche Objekte, allen voran den Menschen selbst. Es gibt die Erde, den Himmel, Flüsse, Bäume, Büsche und fast überall Autos. Diese Dinge wollen benannt werden.

Die Eigenschaften von Dingen werden zunächst unmittelbar durch unsere Sinne erfahren. Da alle Menschen über die gleichen Sinne verfügen, können wir annehmen, dass es in allen Sprachen Wörter gibt wie hell, dunkel, blau, rot (Farbe des Blutes), weich, hart, heiß, kalt, laut oder leise.

Wir müssen nicht befürchten, dass jemand die Eigenschaften eines Steins mit seinem Reflektionsgrad für Ultraschall beschreibt wie das sprachlich bewandte Fledermäuse tun würden oder ein Feld danach kategorisiert, wie viel Mäusepisse ultraviolett leuchtet, eine Domäne der Greifvögel. (Die Sprache der Vögel dürfte für uns schwer zu erlernen sein.)

Auch die primären Verben werden durch einfache menschliche Handlungen bestimmt, Kleinkinder können nichts anderes. Es ist also nicht weiter vewunderlich, dass gehen zu den frühen Wörtern eines Kindes gehört und nicht etwa flattern.

Kinder können mit wenig Wörtern und kaum Grammatik eine Menge ausdrücken. Sie können sich verständlich machen, verwenden die Sprache aber nicht unbedingt korrekt.

Ich habe eine kleine Freundin, für die alles Kleine Baby war, bevor sie groß und klein kennenlernte. Ein kleines Glas war ein Baby-Glas und eine Streichholzschachtel war eine Baby-Schachtel. Und gehen konnte Komm! oder Geh weg! bedeuten, aber auch Hole mir....

Warum sind Sprachen kompliziert?

Wenn Kinder mit einfacher Sprache so viel ausdrücken können, warum sind Sprachen dann so kompliziert? Jeder, der schon einmal versucht hat, eine Sprache zu erlernen, weiß, dass sich Sprachen nicht auf das Einfache beschränken.

Auch wenn das Vogelbeispiel nahelegt, dass die Weibchen eine nicht unerhebliche Rolle bei der Komplexifizierung der Sprache gespielt haben, so sind die wahren Gründe doch vielfältiger:

  1. Soziale Interaktion (Rituale, Respekt, Höflichkeit, Nuancen, Normen)

  2. Die Welt ist vielfältig und wir versuchen alles mit Sprache zu beschreiben.

  3. Wir wollen alle unsere Gedanken in Sprache ausdrücken.

  4. Sprachstrukturen können historisch aus verschiedenen Quellen entstanden sein.

  5. Sprache dient auch als Kennzeichen für eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit und der sozialen Abgrenzung. In sozialen Gruppen entwickelt sich schnell ein bestimmter Jargon.

  6. Wir lieben das Spiel mit der Sprache und die Komplexität.

Soziale Interaktion

Bei sozialer Interaktion denken die meisten sofort an Guten Tag und Danke. In der Tat stehen Begrüßen und Bedanken bei jedem Sprachkurs ganz vorn. Auch Kinder lernen frühzeitig Guten Tag, Hallo, Hi, Hey, Grüß Gott und wer weiß was noch alles. Streng logisch sind diese Floskeln alle überflüssig. Wir sehen, wenn jemand kommt und das reicht. Kleine Kinder handeln auch danach. Sie sparen sich die Begrüßung und fangen gleich an zu spielen.

Soziale Interaktion muß zum großen Teil erst erlernt werden (Mimik beispielsweise ist angeboren). Sie ist wichtig für den Zusammenhalt der sozialen Gruppe und wer von einer Gruppe akzeptiert werden will, tut gut daran, die gruppenkonformen Höflichkeitsfloskeln zu verinnerlichen. Wer's nicht glaubt, kann ja mal versuchen, einen Vorgesetzten mit Ey Alter! zu begrüßen, in manchen Kreisen ein gebräuchlicher Gruß.

Besonders kompliziert ist wieder die Sache mit den Weibchen. Nehmen wir einmal an, ein junger Mann möchte mit seiner Freundin ausgehen und ihr Rock ist etwas kurz geraten. Er möchte ihr nun klarmachen, dass er ihre Kleidung für unpassend hält. Dazu hat er eine Reihe von Optionen:

  1. Der Rock ist peinlich!

  2. Der Rock ist vielleicht etwas peinlich!

  3. Ich finde, dass der Rock vielleicht ein wenig unpassend ist.

  4. Deine Beine werden Männerblicke auf sich ziehen!

(Angeblich wird Version 1. gerne von MINT-Absolventen verwendet, während Diplomaten eher Nummer 4. bevorzugen :-)

Peinlich bedeutet übrigens, dass hier gegen eine soziale Norm verstoßen wird und gerade die Normen bezüglich weiblicher Bekleidung sind in verschiedenen Gesellschaften äußerst unterschiedlich.

Gruppenzugehörigkeit und Jargon

Wer glaubt, dass ein für Normalsterbliche unverständlicher Jargon nur unter Jugendlichen üblich sei, der irrt. Jede Fachabteilung eines Unternehmens belehrt sofort eines besseren. Aber während unter Jugendlichen wenigstens noch plakativ kreative Wortschöpfungen üblich sind, beschränkt man sich in Firmen oft nur auf dröge Abkürzungen und die Vergewaltigung der englischen Sprache.

Warst du beim Meeting zum PIS? Nein, ich war beim URGH-Kickoff zum LUR. So ähnlich klingt es aus den Fachabteilungen und selbst der deutsche Muttersprachler versteht nur Bahnhof.

Fragt man die Leute, warum sie so reden, antworten sie für gewöhnlich, das sei eine Fachsprache und würde die Kommunikation vereinfachen. Wir können aber davon ausgehen, dass es sich in vielen Fällen um ein soziales Erkennungsmerkmal handelt, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe unterstreicht. Dafür sprechen mehrere Argumente:

  1. Jargon entsteht auch dort, wo es etablierte Ausdrucksweisen gibt (Beispiel Jugendsprache).

  2. In größeren Unternehmen wird die Kommunikation durch abteilungsspezifischen Jargon verkompliziert.

  3. Ein Fachjargon entwickelt sich auch dann weiter, wenn sich fachlich bereits seit Jahren nichts neues tut.

Spiel und Komplexität

Die Erfahrung lehrt, dass Sprache auch dort komplex wird, wo es eigentlich keinerlei Anlaß dazu gibt. Dabei ist die Sprachvielfalt keinesfalls nur Schriftstellern vorbehalten. Als Beispiel hier einmal verschiedene Möglichkeiten, sich auszudrücken, um jemanden aus dem Leben zu verabschieden. Dem Empfänger dürfte die Ausdrucksweise ziemlich egal sein.

  1. Hasta la vista Baby!

  2. Fahr zur Hölle!

  3. Triff deine Ahnen!

  4. Gib den Löffel ab!

  5. Endstation!

  6. Deine Zeit ist abgelaufen!

Warum tendieren wir dazu, uns vielfältig auszudrücken, gerne mit der Sprache zu spielen und sie zu erweitern? Ein Grund könnte sein, dass der Mensch förmlich für's Lernen geschaffen wurde. Wir benötigen das Neue! Altbekanntes wird schnell langweilig. Ein gewisses Ausmaß an Neuem aktiviert unser Belohnungszentrum [Spitzer]. Und wenn das Neue ausbleibt, erfinden wir es eben selbst. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass in der menschlichen Gesellschaft immer alles komplizierter wird.

Alltags- und Schriftsprache

Im Alltag frönen wir häufig einem wunderschönen Sprachminimalismus. Die Bedeutung eines Satzes wird oft erst durch den Kontext (die Situation, in der wir uns befinden) klar wie das folgende Beispiel zeigt:

AlltagsspracheÜbersetzung
Heh!Hallo, schön Dich hier zu treffen!
Heh!Sie haben ihr Portemonnaie verloren!
Heh!Ich möchte eine Bestellung aufgeben!
Heh!Sie haben mich angerempelt, Sie Rüpel!
He, he, he!Ich habe Böses im Sinn!

Ohne Hintergrundinformation ist eine korrekte Übersetzung nicht möglich. An die Schriftsprache werden deshalb höhere Anforderungen gestellt als an die Alltagssprache. Schriftsprache muß eine Situation vollständig beschreiben, um Mißverständnisse zu vermeiden. Durch das Fehlen von Mimik und Gestik gehen feine Nuancen verloren. Scherze und Ironie werden oftmals nicht erkannt. Geschriebenes wirkt dadurch ernster als es gemeint ist. Ein Schriftsteller kann die Gefühle seiner Figuren durch kunstvolle Sätze und feine Ausdrucksweise treffend beschreiben. Dem Rest von uns bleiben nur Emoticons :-)

Grammatik

Grammatik lernen ist für viele der Horror schlechthin. Wenn Sprachenlernen einen schlechten Ruf hat, dann meistens wegen der Grammatik. Kinder lernen doch auch keine Grammatik, heißt es dann oft, aber das ist falsch. Kinder lernen Grammatik, nur eben anders als in vielen Sprachkursen. Kinder lernen durch Beispiele und Übung; sehr viele Beispiele und sehr viel Übung.

Eigentlich ist Grammatik nichts weiter als eine Menge von Regeln, nach denen wir Sätze bilden. Viele werden sich fragen, ob Grammatik überhaupt nötig ist? Kleine Kinder verzichten weitgehend auf Grammatik und können sich trotzdem verständlich machen. Beispiele:

KinderspracheÜbersetzung
Puppe spielenIch möchte mit der Puppe spielen!
Dirk Pferd!Ich möchte auf dir reiten!
Pferd!Reite auf diesem Pferd!
So machen!Tue es so, wie ich es dir vormache!
Komm Haus!Besuche mich zu Hause!

So mancher Grammatikverächter wird sich jetzt wahrscheinlich etwas mehr Vokabeln und Grammatik wünschen. Grammatik erweist sich schnell als ungeheuer praktisch, um Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen.

Betrachten wir als Beispiel für die klärende Kraft der Grammatik eine Aussage, die ohne diese auskommt:

Sunny Luna Manga geben.

Da bleiben viele Fragen offen. Wer gibt wem das Manga? Wann ist das passiert? Ist es eine Aussage oder ein Wunsch? Ein bißchen Grammatik und alles wird klar:

  1. Sunny, gibst du Luna das Manga?

  2. Luna gibt Sunny das Manga.

  3. Sunny gab Luna das Manga.

  4. Sunny, gib mir das Luna-Manga!

  5. Sunny Luna (Name) wird ein Manga geben.

Grammatik ist also nötig, um präzise Aussagen zu machen. Das ist so ungeheuer nützlich, dass wohl jede Sprache über eine Grammatik verfügt. Dabei ist sie keinesfalls immer perfekt und auch korrekte Sätze lassen manchmal Spielraum für Interpretationen, zum Beispiel Er beobachtet die junge Frau mit dem Fernglas (Standardbeispiel aus der Linguistik). Wer besitzt das Fernglas, er oder die junge Frau?

Ein weiterer Zweck der Grammatik ist die Verbesserung der Verständlichkeit. Grammatik erleichtert dem Gehirn die Verarbeitung von gesprochenen Sätzen, auch wenn viele Anfänger vom Gegenteil überzeugt sind :-)

Nehmen wir als Beispiel den Satz Magst du Pizza? Unser Gehirn kann diesen Satz ganz automatisch mit einer Vielzahl von Regeln gleichzeitig analysieren. Ein Verb am Anfang weist auf eine Frage hin. Du und Pizza könnten sowohl Subjekt als auch Objekt sein, aber im Deutschen steht das Subjekt vor dem Objekt. Damit ist die Bedeutung klar. Die letzte Regel ist sehr wichtig. Ein Satz wie Mag Luna Sunny? ist nur eindeutig verständlich, wenn wir wissen, dass das Objekt hinten steht und wir wollen ja wissen, wer hier wen mag.

Kehren wir zurück zu Magst du Pizza?. Ein Anfänger, der die deutsche Grammatik nicht so gut beherrscht, wird vielleicht Mögen du Pizza? oder Mögen Pizza? sagen. Im lauten Bistro gehen gewöhnlich Satzbestandteile beim Hören verloren und wir fangen an zu rätseln, was gemeint war: Kinder mögen Pizza, Studenten mögen Pizza oder Mögen Studenten Pizza? Zu unserem Glück kennt die deutsche Sprache das Wunder der Beugung und wer magst statt mögen sagt, wird leichter verstanden.

Die Grammatik einer Sprache ist relativ stabil und ändert sich auch über lange Zeiträume nur wenig. Interessanterweise läßt sich die Verbreitung von Emoticons als Erweiterung der schriftlichen Grammatik verstehen (offenbar eine sinnvolle, denn Schriftsprache wird oft mißverstanden).

Hier haben sich eine Reihe von grammatikalischen Regeln verbreitet, obwohl es für sie keinerlei grammatikalischen Fachbegriffe gab und jeder hat's begriffen. Selbstverständlich kann man den Emotikativ als Oberbegriff für die Verwendung von Emoticons einführen und das ganze etwas genauer spezifizieren :-)

EmoticonGrammatikalischer Fall
:-)Smilativ
:-(Saditiv
:oAmazitiv

Ich fürchte, das ist genau der Weg, wie neue Grammatikregeln entstehen und weil Ironie in der Schriftsprache meistens nicht verstanden wird, schlage ich noch die Einführung des Ironitiv vor, um solche Fälle zu kennzeichnen, beispielsweise durch das Anhängen der Silbe iro.

Das ist äußerst sinnvoll und sollte bei der nächsten Rechtschreibreform berücksichtigt werdeniro.

Exkurs: Bi-Ba-Bo-Grammatik

Wir haben gesehen, dass Grammatik alles andere als perfekt ist. Nachdem die deutsche Rechtschreibung bereits reformiert wurde, ist es an der Zeit, auch eine neue Grammatik zu entwickeln :-)

Im Koreanischen und Japanischen sind die grammatikalischen Regeln völlig anders als im Deutschen. Satzteile werden durch das Anhängen bestimmter Silben gekennzeichnet. Die Satzstellung besitzt die Form Subjekt Objekt Verb. Probieren wir das einmal mit ein paar Phantasiesilben aus:

AnhängselBedeutung
biSubjekt (Wer etwas tut)
baObjekt (Mit was etwas getan wird)
boVerb (Was getan wird)

Mit diesen Regeln lassen sich schon einfache Sätze bilden:

BiBaBoDeutsch
Lunabi gehenboLuna geht.
Sunnybi Mangaba kaufenboSunny kauft ein Manga.
Lunabi Sunnyba grüßenboLuna grüßt Sunny.
Sunnybi Lunaba hübsch machenboSunny macht Luna hübsch.
Sunnybi hübsch machenboSunny macht sich hübsch.
Sunnyba hübsch machenboSunny wird hübsch gemacht.

Wir erkennen das große Potential dieser Grammatik und erweitern sie ein wenig, um größere Alltagstauglichkeit zu gewährleisten:

AnhängselBedeutung
biSubjekt (Wer etwas tut)
baObjekt (Mit was etwas getan wird)
boVerb (Was getan wird)
boboBefehl
bobaFrage
bibizu etwas hin

Damit läßt sich schon ziemlich viel anstellen:

BiBaBoDeutsch
Dubi wobibi gehenbobaWohin gehst du?
Sunnybi Lunabibi gehenboSunny geht zu Luna.
Lunabi Sunnybibi Mangaba gebenboLuna gibt Sunny ein Manga.
Mangaba gebenboboGib mir das Manga!

So mancher wird sich jetzt fragen: Wozu die ganzen Anhängsel? Die sind doch häufig überflüssig!. Tatsächlich werden in der koreanischen Alltagssprache die Anhängsel häufig weggelassen. Bei komplexeren Aussagen und in der Schriftsprache sind sie jedoch sehr hilfreich.

BiBaBoDeutsch
Lunabi grün Autoba sehenboLuna sieht das grüne Auto.
Lunabi schön dunkel Augenba habenboLuna hat schöne dunkle Augen.
Fernglas Mannbi jung Frauba beobachtenboDer Mann mit dem Fernglas beobachtet die junge Frau.
Mannbi Fernglas jung Frauba beobachtenboDer Mann beobachtet die junge Frau, die ein Fernglas hat.
Ichbi duba liebenboIch liebe dich.
Ichbi dubibi mein liebeba gebenboIch gebe dir meine Liebe.

Zugegeben, noch ist diese Grammatik relativ einfach und die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit sind schnell erreicht, aber genau deswegen sind reale Grammatiken immer komplex.